Monika Maron – eine große Autorin macht sich klein

Monika Maron war einmal eine großartige Schriftstellerin, und in der DDR überdies auch noch eine mutige. Außerdem hat sie einen bezaubernden Hund und schreibt göttlich über Tiere, sogar über eine Krähe.

In ihrem ersten Roman, „Flugasche“ (1981), beschrieb sie die Umweltzerstörung in der Chemie-Stadt Bitterfeld. Auch Zensur und Überwachung waren Thema des Romans. Und: Mut. 

Es ging um die Frage: Wie verhalte ich mich als Journalistin in einer Diktatur, wenn ich einerseits öffentlich mitteilen möchte, was ich recherchiert habe, und das Ergebnis den allmächtigen Parteifunktionären nicht gefällt, ich aber andererseits auf das Wohlwollen dieser Machthaber angewiesen bin, weil ich sonst meinen Beruf nicht ausüben und nicht für mein Kind sorgen kann? Das ist der Konflikt der Ich-Erzählerin Josefa Nadler, Journalistin und alleinerziehende Mutter, im Roman „Flugasche“. Sie steht ihn durch, aber ihre Reportage über ein gesundheitsschädigendes Braunkohlekraftwerk wird nicht gedruckt.  Zensur.

„Flugasche“, also der Roman, in dem dies erzählt wird, gefällt den Literatur-Aufsehern in der DDR nicht. Sie möchten Monika Maron dazu bewegen, Änderungen vorzunehmen. Diesen Wünschen verweigert sie sich standhaft, und es passiert, was sie im Roman beschrieben hat: Er fällt der Zensur zum Opfer, wird nicht gedruckt. 

Dann wird er aber doch gedruckt. In der bösen kapitalistischen revanchistischen BRD, in Frankfurt am Main, vom Verlag S. Fischer. So wird Monika Maron zur Fischer-Autorin und bleibt es auch nach dem Fall der Mauer. Alle Romane und Essays, darunter großartige, wie etwa „Endmoränen“, „Ach Glück“ oder „Bitterfelder Bogen“ erschienen seitdem bei Fischer, zuletzt „Munin oder Chaos im Kopf“ und ganz zuletzt „Artur Lanz“. Und das war dann wohl auch das letzte Werk, das bei Fischer erschien. 

Weitere Kreationen aus Monika Marons Feder will der Verlag nicht mehr drucken, denn aus der Autorin Monika Maron ist inzwischen eine „umstrittene Autorin“ geworden, genauer gesagt eine, die nach rechts abgedriftet ist, Pegida-Sympathien hegt und nun von „Rauswurf“ spricht und sich als Beweis dafür sieht, dass man in Deutschland ausgegrenzt, ja mundtot gemacht wird, wenn man bestimmte Meinungen äußert, die dem rot-grün-feministisch-politisch-korrekten Gender-Mainstream nicht genehm sind.

Das bewegt nun die Feuilletonisten-Gemüter und deren Leser und den ganzen Literaturbetrieb, und wir bekommen jetzt wohl die 1001. Neuauflage des Streits darüber, ob es wirklich stimmt, dass man in Deutschland nicht mehr sagen darf, was man denkt, ob es sich vielleicht um einen weiteren Fall von Cancel Culture handelt – obwohl Monika Maron die ganze Zeit schon gesagt hat, was sie denkt, und obwohl jetzt die Feuilletons voll von dem sind, was sie denkt, und obwohl sie längst einen anderen Verlag gefunden hat, der bereitwillig alles drucken wird, was sie denkt. In dem sie sogar schon einen Essay-Band veröffentlicht hat. 

Eben das und eben dieser Verlag sind der Grund, warum Fischer, ihr alter Verlag, nichts mehr von ihr drucken will. Ihr neuer Verlag ist das Dresdner Buchhauses Loschwitz, das ihre Essay-Sammlung in der “Exil”-Reihe veröffentlicht hat und mit dem Antaios-Verlag zusammenarbeitet. In diesem Verlag wird alles gedruckt, was sich an rechtsradikalem, identitärem, völkischem, rassistischem und demokratiefeindlichem Gedankengut so gesammelt hat in unserem Land. Der Verlag gehört dem Rechtsradikalen Götz Kubitschek, dessen “Institut für Staatspolitik” vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Der Verlag S. Fischer wiederum hat eine alte, ganz eigene und ganz andere Geschichte als Antaios. Der jüdische Verleger Samuel Fischer hatte seinen Verlag 1886 in Berlin gegründet und Weltliteratur gedruckt mit Namen wie etwa Dostojewski, Hauptmann, Ibsen, Mann, Zola. Als die Nazis an die Macht kamen, wurden zahlreiche Publikationen des Verlags als „unerwünscht“ auf den Index gesetzt und die Eigentümerfamilie aus dem Verlag herausgedrängt.

Vor dem Hintergrund dieser Geschichte

hat die derzeitige Verlegerin Siv Bublitz sinngemäß gesagt: In einem Neo-Nazi-Verlag veröffentlichen und zugleich in einem Verlag wie Fischer – das geht nicht, das passt nicht zusammen.

Und da, so meine ich, muss man ihr recht geben.

Dass Monika Maron darüber „traurig und fassungslos“ ist, kann man verstehen. Dass sie aber jetzt sagt, sich wieder in einer Situation zu befinden, in der sie vor vierzig Jahren mit „Flugasche“ schon einmal war, muss man nicht mehr verstehen, denn tatsächlich ist ihre Situation heute eine ganz andere.

Sie ist nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Die Tantiemen des Fischer Verlags fließen weiter. Es gibt keine staatlichen Stellen und keine Parteifunktionäre, die Druck auf sie ausüben. Es droht kein Berufsverbot. Sie muss auch nicht ins Exil in die Schweiz oder in die USA. Sie kann weiterhin gefahrlos alles sagen, was sie will, tut es auch, nur kann sie von einem Verlag wie Fischer halt nicht erwarten, dass der das alles auch druckt.

Bei Fischer gab es mal eine Zeit, in der die Eigentümerfamilie erfuhr, wie es wirklich ist, wenn man ins Exil flüchten muss. Bei Fischer veröffentlichen bis heute Schriftsteller, die in ihrem Denken konträr zu jenem Denken stehen, dem die Monika Maron von heute zu nahe steht.

Daher hätte der Fischer Verlag eigentlich schon Marons letzten Roman „Artur Lanz“ nicht mehr drucken sollen,

Männer unterm Feminat

Worum geht’s in diesem Roman? Um „echte Männer“, Kerle, Helden, die ihre Romanfigur Charlotte Winter schmerzlich vermisst. Und um jene besonders schwache Männersorte, scheinbar von Feministinnen kastrierte Männer, die der Zeitgeist, der rotgrüne Mainstream seit einiger Zeit massenhaft hervorbringt und von der Autorin wie von ihrer Romanheldin verabscheut werden.

„Es sind nicht die klügs​ten und sympa​thischs​ten Frauen, die der Zeit​geist gerade nach oben spült, im Gegen​teil, es sind zum Teil gars​ti​ge Weiber, die es wagen, die intel​li​gen​tes​ten und klügs​ten Männer zu beschimp​fen“,

lässt Maron ihre Heldin sagen. Oder über die bedauernswerten Männer:„Alles, was bis gestern an ihnen als rühmens​wert galt, Mut, Entschlossenheit, war im Laufe der Jahre unter den Verdacht gera​ten, für das Böse in der Welt verant​wort​lich zu sein. Dabei waren es eigent​lich die von Männern erfun​de​nen Waschma​schi​nen, elek​tri​schen Heizun​gen, Fahr​stüh​le, Roll​trep​pen und alle mögli​chen anderen lebens​er​leich​tern​den Geräte, die den Frauen plötz​lich erlaub​ten, auf die männli​che Kraft zu pfeifen und sie als Gefahr für den Fort​be​stand der Mensch​heit zu verdäch​tigen.“ 

In einem guten Roman gäbe es jetzt Figuren, die widersprechen, vielleicht Freunde oder meinetwegen sogar Feinde, die andere Positionen vertreten. Bei Maron bzw. ihrer Sprechpuppe Charlotte Winter dagegen sind alle immer der gleichen Meinung.

„Die Männer sind entmach​tet“, sagt ein Profes​so​r.

Manche Männer seien doch nur „nur schwul geworden, weil sie sich nur noch bei Männern wie Männer fühlen durften“, sagt eine Freundin.

Dass in CDU und CSU derzeit vier Männer und keine Frau um die Kanzlerkandidatur ringen, die SPD schon einen Mann hat und die FDP sowieso auf eine One-Man-Show geschrumpft ist, dass man in den Vorständen und Aufsichtsräten und der Konzerne nach Frauen suchen muss, die Führungspositionen in der FAZ, der SZ, dem Spiegel fast zu hundert Prozent in Männerhand sind – davon steht in Marons Roman kein Wort. Auch nichts über häusliche Gewalt von Männern, nichts über sexuellen Missbrauch, nichts über den alltäglichen Sexismus – es sei denn, es handelt sich um junge Männer aus den Flüchtlingslagern, dann wird der Roman wieder deutlich.

So beobachtet Charlotte Winter einmal eine Demo, auf der Frauen gegen die „zuneh​men​de Unsi​cher​heit auf den deut​schen Stra​ßen“ demonstrieren, gegen eine Gewalt, die „häufig von einge​wan​der​ten Männern ausging“, und dass Gegendemonstranten auf den Plan traten und den Frauen Rassismus vorwarfen. In einem guten Roman würde an dieser Stelle jemand fragen, ob die Unsicherheit vielleicht nur eingebildet sei, weil ja die Statistik etwas anderes sagt. Aber bei Maron kommen plötzlich Biker aus verschie​de​nen Teilen des Landes herangebraust um die demons​trie​ren​den Frauen vor den Gegen​demonstranten zu beschützen. Und da lässt Maron ihre Heldin sagen: „Ich wusste nichts über diese Männer, ich wusste wenig über die Biker​sze​ne, hin und wieder war zu lesen, dass sie einen Hang zur Krimi​na​li​tät hätte. Aber diese vom männ​li​chen Ur-Instinkt getrie​be​ne Aktion gefiel mir“.

Die „täto​wier​ten Biker​hor​den“ erscheinen als „letzte Verfech​ter der Ritterlichkeit“. 

Zu so einem letzten Verfechter der Ritterlichkeit möchte die Romanheldin eines dieser von ihr verabscheuten Schwachmännchen machen, Artur Lanz heißt es, um die fünfzig, geschieden, Mitarbeiter eines Öko-Instituts. „Artur“ soll an König Artus erinnern, „Lanz“ an Lancelot, beides an die Ritter von Heiligen Gral. Nur ist Lanz halt das komplette Gegenteil solch eines Ritterhelden.

Aber Charlotte Winter hat einen Plan mit ihm, will aus ihm den Helden herauskitzeln, einen Kerl, der einmal im Leben Mut zeigt, indem er sich für seinen Freund und Kollegen in die Bresche wirft. Gerald Hauschildt heißt er. Der hatte auf Facebook gepostet, dass Kohlendioxid gar nicht die Ursache des Klimawandels sei. 

Das gibt Ärger am Institut. Er wird von seinen Chefs aufge​for​dert, zu widerrufen. Und da soll Lanz ihm beispringen, seine Meinungsfreiheit verteidigen, sich „ritterlich“ vor ihn stellen, verlangt Charlotte.

Tut er auch. Als es am Institut zu einem Tribunal kommt, das an sozialistische Verurteilungsrituale erinnert, erhebt Lanz die Stimme, wütend, mutig, männlich – so wie sich Monika Maron einen Helden von heute vorstellt. Also: Einer redet unverantwortliches Zeug daher, das keinerlei wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, wird dafür von seiner Zunft gerügt, aber sein Freund soll ihm nicht im Guten sagen, dass er halt leider Blech geredet hat, sondern ihn heldenhaft verteidigen.

So einen Freund möchte ich eigentlich nicht haben. Ich möchte einen, der gerade dadurch zu mir steht, dass er mir sagt, dass ich Blech geredet habe, wenn ich Blech geredet habe. Monika Maron scheint so einen Freund nicht zu haben. Schade. Sie war mal eine große Autorin.

Links zu diesem Artikel:

https://de.wikipedia.org/wiki/Monika_Maron

https://www.sueddeutsche.de/kultur/monika-maron-fischer-trennung-verlag-1.5081858

https://www.zeit.de/kultur/literatur/2020-10/monika-maron-schriftstellerin-fischer-verlag?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.bing.com%2F

https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/fischer-verlag-trennt-sich-von-monika-maron-17010867.html

zu Cancel Culture:

https://de.wikipedia.org/wiki/Cancel_Culture

https://www.ndr.de/kultur/kulturdebatte/Cancel-Culture-Was-ist-das-eigentlich

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