Die Gier der Patrioten
Alle spielen jetzt für Deutschland, nur nicht die Konzerne. Zeit für rote Karten!
Als ich sieben war, sah ich meinen Vater zum ersten Mal in meinem Leben weinen. Ich saß damals in einem Kreis von vielleicht zwei Dutzend erwachsenen Männern im Wohnzimmer des Dorf-Friseurs. Im Sommer 1958 zählte er zu den ganz Wenigen im Dorf, die schon einen Fernseher hatten. Davor versammelten sich die Männer, um das Spiel der Deutschen im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Göteborg zu sehen. Wir verloren 1:3 gegen Schweden, schieden aus, und da habe ich bei meinem Vater die Tränen gesehen.
In diesen Tagen, da ich mit Ehefrau und 13-jährigem Sohn die WM im Fernsehen verfolge – die 16-jährige Tochter zieht es vor, das Ereignis mit ihrer Clique beim Public Viewing zu genießen – erwachen die Erinnerungen daran und mit ihnen die Fragen: Wie entsteht eigentlich Patriotismus? Unter welchen Umständen wächst Heimatliebe, woraus speist sich Zusammengehörigkeitsgefühl, und wie funktioniert das alles im deutschen Sonderfall, mit dieser besonderen Geschichte?